Bericht auf Twitter von einem sehr fachkundigen User. Links am Ende des Textes!
Ein Jahr nach diesem Thread und eine neue E-Förderung später: ein Blick auf Volkswagen. Was hat sich mit Blick aufs Thema Software geändert?
Vorweg: Es gibt positive Entwicklungen, die sollte man auch anerkennen. Reicht das? Klares Nein. Wer kein Auto-Nerd ist, kann hier aufhören zu lesen.
Der „neue“ Infotainment-Baukasten MIB 4 (im zitierten Thread steht, was das ist) wurde inzwischen über alle Modelle ausgerollt. Große Displays, deutlich verbessertes UI, deutlich verbesserte Performance gegenüber der vorherigen Vollkatastrophe MIB 3 (ab Golf 8 eingeführt). Dadurch ist VW in dem Bereich überhaupt mal wieder halbwegs konkurrenzfähig. Wer aktuelle Modelle fährt, merkt aber schnell, dass das für heute gerade so ausreicht – aber weit weg von „gut“ ist, mit Blick auf manche Mitbewerber. Ein immer noch an manchen Stellen schiefes UI, auslaufende Schriften, komische Zeilenumbrüche, leichte Ruckler und weiteres gehören noch immer dazu. In Summe ist das aber wie gesagt benutzbar. Besonders die Displays sind sehr ordentlich und für ID.-Kunden kamen nützliche Features wie die Vorkonditionierung der Batterie und anderes dazu. Das ist die gute Nachricht.
Was noch immer nicht im Griff ist, ist das Thema Updatefähigkeit. Es bleibt weitestgehend bei „Over-the-Autohaus“ statt Over-the-Air. Außer mal ein Update für die Bedienungsanleitung oder die Navikarte (wow!) kommt OTA mit ganz wenigen Ausnahmen nichts. Major-Updates kann der Kunde noch immer nicht selbst anstoßen – man muss weiterhin lieb im Autohaus fragen oder eine Beanstandung innerhalb der Garantiezeit nennen, die mit dem Update gefixt wird. Alleine dieser noch immer andauernde Quatschprozess sagt alles aus. Das softwaredefinierte Fahrzeug wurde also noch immer nicht verstanden – und zwar ganz besonders im Vertrieb nicht.
Die fehlende Updatefähigkeit fragmentiert logischerweise die Flotte, für Gebrauchtwagenkunden entsteht ein Dschungel. Wer gebraucht einen ID kaufen will, nach dem installierten Softwarestand fragt und ob man vor dem Kauf ein Update bekommen könnte, treibt dem Verkäufer Schweißperlen auf die Stirn. Es gibt dafür keinen wirklichen Prozess, eben weil es kein OTA gibt. Der Verkäufer wird ablehnen oder – wenn er nett ist – sich eine Beanstandung ausdenken (Rückfahrkamera ruckelt oder ähnlich) und dann auf Garantie das Update durchführen. Ich verlinke dazu auch unten etwas. Das Ganze verwundert sehr, da auch Volkswagen selbst Updates als wichtig für eigentlich alles kommuniziert. Siehe ebenfalls in den Links.
Ansonsten noch zwei stellvertretende Beispiele:
ID.7:
Ein zurecht viel gelobtes Fahrzeug. Die Verkaufszahlen sind hierzulande gut, der ID.7 rangiert durchweg an der Spitze der monatlichen Statistik. Alle ID.7 vom Marktstart bis zum ersten Modelljahrwechsel haben bis heute außer 1–2 Hotfixes (natürlich Over-the-Autohaus) kein einziges Update erhalten. Sie wurden einfach fallengelassen und stehen auf dem Softwarestand der Auslieferung. Sie sind zum Glück gut erkennbar: Es sind die, bei denen die VW-Logos nicht beleuchtet sind. Die Gründe liegen im Zuliefererwust, der im zitierten Thread beschrieben wird. Die Early Adopter wurden damit mal wieder vor den Bus geschmissen, sie sind von guten neuen Features wie oben beschrieben ausgesperrt. Auch jüngere ID.7 erhalten oft ein Jahr und länger kein Major-Update. Ich lasse die Leute inzwischen links liegen, die sagen „Warum denn auch?“ und „Braucht man alles nicht“ – sie werden es nicht mehr verstehen. Für die Konkurrenzfähigkeit eines E-Flaggschiffmodells ist das alles jedenfalls Gift; nicht nur Teslakunden stehen da deutlich besser da. Einschlägige Foren sind voll mit Threads von entsprechend „begeisterten“ ID.7-Kunden. Summary: Das Auto ist gut, der Softwaresupport grauenhaft.
Beispiel Audi:
Das eigentlich viel krassere und jüngere Beispiel findet sich bei Audi und ist von dieser Woche. Hier fallen die Softwarethematik und schlechte Material-/Usability-Entscheidungen (Alles ist Touch und billig) gleich doppelt unglücklich zusammen. Bei Audi hat man kürzlich quasi die komplette Produktpalette neu gelauncht – alle Cashcows sind neu: A5 (vorher A4), A6, Q5. Mit dem A6 e-tron und Q6 e-tron sind neue E-Modelle eingeführt worden. Die Foren sind voll mit Nutzern, die beklagen, wie schlecht die Software funktioniert. Einzelne Features wie der Parkassistent sollen mehr oder weniger gar nicht funktionieren. Es wäre also viel zu tun bzw. zu updaten.
Diese wichtigen Autos, die Geld verdienen und Kunden überzeugen müssen, sind also neu. Wie neu? So neu (Marktstart):
A5: 11/2024
A6: 04/2025
Q5: 03/2025
A6 e-tron: 08/2024
Q6 e-tron: 08/2024
Im Zyklus der Automobilwelt ist das quasi gestern. Alle diese Autos vom Marktstart bis heute sind seit dieser Woche Software-Altbestand. Und zwar so, dass es für alle Bestandskunden echt wehtut. Audi hat für diese Modelle ab KW 48/49 angekündigt:
- Neue Softwareversion, mehr Stabilität & Speed
- Tiefere CarPlay/Android Auto-Integration
- In-Car-Gaming mit Controller-Support
- Neues digitales Cockpit mit neuen Ansichten
- ChatGPT-Integration
- Neue Lenkräder mit physischen Tasten
- Neue Assistenzsysteme
- Neues Licht für den A6
- Neuer hecklastiger Sportmodus für S-Modelle
- Nicht kommuniziert, aber naheliegend: stärkere Hardware
Und zwar alles OHNE für Bestandsmodelle irgendetwas an Updates anzukündigen. Die Vergangenheit zeigt: Da wird nichts kommen. Das Signal ist: Diese Kunden sind uns egal. Das macht man besonders mit A6-Kunden nicht oft, bis die sich final abwenden. Sie haben ein 100.000-Euro-Auto in dem Glauben gekauft, die jüngst vorgestellte neueste Generation zu bekommen. Und nur wenige Monate nach Auslieferung bekommen sie neue Features nicht und können sehen, wie nach ihrem Beta-Test das Auto aufgewertet wird. Nur halt nicht für sie. Auch auf den Gebrauchtmarkt wirkt sich das wieder aus: Wer sucht eines dieser Modelle, wenn es schon ab KW 48/2025 viel spannender wird?
Fazit:
Im Bereich Software sind einige Pflaster geklebt, die erstmal halten und VW ohne Katastrophe durch den Zyklus der meisten aktuellen Modelle bringen. Substanziell besser geworden ist aus Kundensicht dennoch wenig bis nichts. Neue und gute Features werden meistens so eingeführt, dass Bestandskunden nicht oder nur stark verzögert profitieren. Ganz besonders im Vertrieb liegt richtig viel im Argen, was das Softwareproblem noch weiter verlängert. Sehr oft findet man dort keine Ahnung von wirklich nichts. Immer findet man dafür völlig veraltete und überholte Strukturen, die weder die Produktrealität (Softwaredefiniertes Fahrzeug) noch die des Kunden auch nur annähernd abbilden. Das Händlersystem ist ein wesentliches Problem dieses Konzerns, und man muss es dringend lösen. Sie können keine E-Autos verkaufen, sie verstehen die Software nicht, und die Strukturen erlauben gar keinen wirklichen Softwaresupport.
Aber auch dort, wo man den Vertrieb selbst in der Hand hat, läuft es nicht. Im Bild sieht man einen ID.7 diese Woche bei der Driving Experience in der Autostadt Wolfsburg(!). Per QR-Code soll man die Probefahrt buchen – nun ja, seht selbst.
Links:
Gebrauchtwagenkauf: reddit.com/r/Elektroautos…
VW über Updates: volkswagen.de/de/besitzer-un…
Ankündigung von Audi: audi-mediacenter.com/de/pressemitte…
Zufall? Seit heute bekommen besagte ID.7 jetzt doch das Update, nachdem sie 2 Jahre mit dem Auslieferungszustand rumgefahren sind. Aber nicht OTA - müssen zum Händler, Update dauert dort 8 Stunden. Ein Tag ist weg. Quelle:
Nur falls mal wieder jemand über BYD meckert....✌️😬
Wenn noch Links benötigt werden, kann ich die gern nachreichen.