Praxisbericht.
Seit kurzem haben wir einen Seal U DM-I PHEV in der “Design” Variante, also mit Front- und Heckmotor (“AWD”). Den haben wir uns zugelegt, weil wir “gelegentlich” einen Wohnwagen ziehen und das über Distanzen bis zu 2.000 km pro Strecke, natürlich NICHT am Stück, sondern mit einem oder zwei Zwischenstopps, Der Wohnwagen darf maximal 1.300 kg haben, der Seal U DM-i AWD darf maximal 1.300 ziehen, also passt das. Vorher hatten wir einen Dacia Lodgy Diesel mit 107 PS gehabt, der zwar unheimlich praktisch (Haushaltskühlschrank passt stehend rein!) und günstig ist, aber zum einen langsam in die Jahre kommt und im “Gebirge” echt schlimm ackern muss und insgesamt nicht wirklich ein souveränes Zugfahrzeug ist (trotz zusätzlicher MAD Federn!). Man hätte damit leben können, aber wir wollten uns was “gönnen”, aber wir wollten weder komplett fossil noch wollten wir schon komplett für den Urlaub auf Elektro umsteigen - unser Jeder-Tag-Auto ist ein BEV mit 64 kWh. Perfekt für alles, außer Urlaub und echter Langstrecke.
Im 2025 Urlaub sollte es nach Rom gehen. Da wir an der Nordseeküste wohnen, sprechen wir von 1.800 km einfacher Fahrt. Durch die deutschen Mittelgebirge und über die Alpen.
Wer es nicht weiß: Der BYD (und einige andere chinesischen PHEV) sind keine “klassischen” PHEV, die eigentlich ein Verbrenner sind, der einen Elektro “Hilfsmotor” hat. Der BYD funktioniert genau andersrum, er ist ein Elektro mit einem Verbrenner als Hilfsmotor zum Laden der Batterie. Der Verbrenner hat deswegen eher wenig Leistung (98 kW beim Design) und es gibt auch kein klassisches Getriebe. Der Verbrenner treibt entweder einen Generator an, der Strom für die Batterie bzw den E-Motor liefert, oder er kann parallel (ab einer gewissen Geschwindigkeit) direkt auf die Antriebsachse wirken. Das ist das Prinzip des “Range-Extenders” das es auch schon beim BMW i3 gab. Nur dass BYD das schon 2009 mit dem F3DM eingeführt hat. Seitdem hat man die Technik weiterentwickelt.
Damit ergibt sich folgende Situation im Langstreckenbetrieb: Ein 98 kw (130 PS) Benzinmotor arbeitet entweder als Generator (seriell) für einen E-Motor oder er arbeitet (ggf zusätzlich) parallel zum Elektromotor direkt auf der Antriebsachse - ohne Getriebe aber nur in bestimmten Fahrzuständen. Da die Batterie unter 20 kWh Kapazität hat, ist die damit erzielbare Reichweite logischerweise beschränkt. Die Hauptlast auf längeren Strecken trägt also der Verbrenner, der “bei Bedarf” vom Elektromotor unterstützt wird.
Was heißt das jetzt für den Betrieb mit Wohnwagen auf der Autobahn? Grundsätzlich arbeitet primär der Verbrenner, um das Gespann zu bewegen. Im genannten Fall braucht es bei Tempo 85 rund 30 kW, bei 90 dann 35 kW um mit gleichbleibender Geschwindigkeit in der Ebene zu fahren. Plusminus in Abhängigkeit von Windrichtung etc.
Der BYD hat im Menü zwei Einstellungen. “Auto” und “Save”, “Auto” wollen wir nicht weiter betrachten (das ist eher für den lokalen Betrieb), und im “Save” Modus kann man einen SOC Werte von minimal 25% bis maximal 70% vorgeben.
Was genau passiert bei der Einstellung? Na, jedenfalls nicht das, was man erwartet. Wenn man mit voller Batterie losfährt, dann sinkt der SOC stetig ab. Nehmen wir an, es ist eingestellt “70% - save”. Dann sinkt der SOC problemlos UNTER diesen Wert. Und es wird - im Normalfall - NICHT wieder auf diesem Weg nachgeladen.
Wann wird (elektrische) Energie “verbraucht”? Ziemlich simpel. Immer dann, wenn sie benötigt wird! Beim Nachladen wird es komplizierter. Grundsätzlich würde man erwarten, dass der BYD versucht, den eingestellten SOC zu “halten”, oder zumindest schnell wieder zu erreichen. Genau das passiert aber so nicht. Ein “Nachladen” findet - zumindest habe ich das so beobachtet, selbst bei SOC von 14% - nur in bestimmten Situationen statt:
1. Klassisch, beim bremsen bzw verlangsamen. Das sind aber Situationen, die beim “cruisen” - in der Ebene - auf der Autobahn selten sind.
2. Nachgeladen wird auch, wenn der Wagen mit niedriger (aber nicht SEHR niedriger) Geschwindigkeit fährt. Zwischen 15 und 50 kmh (etwa) leistet der Verbrenner mehr, um damit die Batterie aufzuladen (WENN sie unter dem Ziel-SOC ist). Das ist wahrscheinlich eine Frage der Effizienz, weil im unteren Lastbereich die Effizienz gering wäre. So erzeugt man einfach mehr Last, um in einen besseren Arbeitsbereich zu kommen. Fährt man langsamer als 15 kmh, arbeitet NUR der E-Motor. auch bei sehr niedrigen SOC. Was bei SOC < 10 oder 5 passiert, kann ich aber nicht sagen, bzw ob diese überhaupt erreichbar sind.
3. Interessant wird es auf hügeligen und gebirgigen Strecken. Klar, bergauf wird jedes Quantum Leistung benötigt, da ist nichts mit Nachladen. Stattdessen wird regelmäßig die Batterie für extra Leistung benötigt. Bergab gibt es im Prinzip zwei Zustände: Auf leichten Gefälle-Strecken schaltet sich der Motor (nach ein paar Sekunden) parallel zu (!) und versorgt die Batterie mit Strom. Man erkennt das auch daran, dass im Display eine Leistungsabgabe angezeigt wird (also positiver Wert). Bei stärkeren Gefällen geht der Wagen komplett in den Schiebebetrieb und der Verbrenner ist aus. Es werden dann (mit Anhänger) regelmäßig mindestens 40 kW rekuperiert, zum Teil - bei starkem Gefälle - geht das zum Teil bis auf 80 kW Rekuperation rauf.
Das führt dazu, dass beim Aufstieg die Batterie regelrecht “leergelutscht” wird, man aber auf der anderen Seite recht schnell wieder auf SOCs von 50 oder mehr Prozent kommt. Das ist dann der “Gewinn” aus der Anstrengung des Verbrenners beim Aufstieg.
Fazit zur Einstellung “Save” bei gewähltem SOC im HEV Betrieb: Es handelt sich eindeutig nicht um eine “harte Grenze”. Je nach Bedarf, wird die Batterie bzw der E-Motor verwendet, um den Verbrenner zu unterstützen. Ein Nachladen findet nicht pauschal statt, selbst wenn Leistungsreserven vorhanden sind, sondern nur wenn es “Sinn” ergibt.
Fazit zum Wohnwagen-Betrieb: Sehr entspannt. Wohnwagen läuft gerade und ruhig. Es sind im Normalfall genug Leistungsreserven vorhanden um schnell man in eine Lücke zu stoßen, oder auch steile Anstiege zu bewältigen. Wenn man mit 30% SOC ins Gebirge fährt, wird einem erst etwas unwohl, aber irgendwie schafft es der BYD mit allen Situationen fertig zu werden. Da aber regelmäßig die 70 oder 80 kW überschritten werden, könnte das auch (!) ein Grund sein, warum die beiden 2WD Varianten auf 750 kg Anhängelast beschränkt sind. Deren Verbrenner leistet mit 72 kW im Prinzip zu wenig, so dass dann wohl öfter der E-Motor einspringen müsste. Ein 2WD mit 130 PS wäre vermutlich besser geeignet, aber das widerspricht dann eher der Idee, dass der Verbrenner ein Hilfsaggregat ist.
Wenn im Trailer-Modus sämtliche Assistenzsysteme abgeschaltet werden, ist das allerdings etwas ärgerlich. Zum Glück war meine Anhänger-Erkennung sowieso nicht sehr zuverlässig und mit etwas Nachhilfe erkennt sie gleich gar keinen Anhänger mehr. Dann bleibt einem der Tempomat erhalten. Die rückwärtigen Warnsysteme und “eingreifenden” Assistenten sollte man natürlich trotzdem deaktivieren, die sind im Anhänger-Betrieb kontraproduktiv bis gefährlich. Der normale Abstandstempomat hat aber einen ziemlich perfekten Job gemacht. Da sollte BYD noch mal in sich gehen und den ggf auch im Anhänger-Betrieb weiter zulassen.